NRZ, 28.03.2025, Kamp-Lintfort/Moers | Steffi Liebich und Yvonne Liesfeld organisieren den „Kleidertausch Niederrhein“ ehrenamtlich. © FUNKE Foto Services | Karl Banski
Mehr als nur nachhaltig: Warum Kleidertausch als Event boomt
Nachhaltigkeit
Kamp-Lintfort/Moers. Zum ersten Mal lädt „Kleidertausch Niederrhein“ zu einer Veranstaltung nach Kamp-Lintfort. Wie der Tauschhandel funktioniert und wie man mitmacht.
Von Gabi Gies
Second-Hand-Kleidung tragen, statt immer wieder neue Klamotten zu kaufen - das praktizieren immer mehr Menschen, die nachhaltig leben wollen. Auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit im Umgang mit Textilien und weg von Fast Fashion hat sich mittlerweile ein neues Format etabliert - der Kleidertausch. Jetzt findet ein solches offizielles Event zum ersten Mal auch in Kamp-Lintfort statt: „Kleidertausch Niederrhein“ nennen Steffi Liebich und Yvonne Liesfeld ihr Veranstaltungsnetzwerk, das seit zwei Jahren ehrenamtlich Tausch-Events in Duisburg und Moers organisiert - und am 27. April, von 12 bis 16 Uhr, nun auch im Schirrhof (Friedrich-Heinrich-Allee 79) an den Start geht.
Das Prinzip ist denkbar einfach: Jeder der kommt, bringt zehn gut erhaltene Kleiderstücke, Schuhe oder Accessoires mit und darf sich im Tausch zehn andere wieder mitnehmen. Dabei geht es nicht nur darum, kostenlos Schnäppchen zu machen und seinen Kleiderschrank neu zu bestücken, sondern auch um das soziale Miteinander, sagen die Organisatorinnen: „Man kann beim Kleidertausch etwas für Nachhaltigkeit tun und dabei auch noch Spaß haben.“ Die Verweildauer auf solchen Events sei hoch, man komme miteinander ins Gespräch.
Kleidertausch Niederrhein: Verschwendung vermeiden
„Für mich war es schon von klein auf normal, gebrauchte Kleidung zu tragen“, erzählt die Duisburgerin Steffi Liebich, die in Rheinberg aufgewachsen ist. Mittlerweile, sagt die Sozialpädagogin, seien über 90 Prozent ihrer Kleidung aus Kleidertausch-Events. Ähnlich lebt auch Moerserin Yvonne Liesfeld, die als Erzieherin in einer Kita arbeitet: „Ich kaufe in der Regel nur Unterwäsche und Socken neu ein.“ Sie habe während einer Indien-Reise vor Jahren selbst erlebt, wie dort Textilien produziert werden. „Man sieht, man riecht und man spürt es, wenn man vor Ort ist“, so die 40-Jährige.
Beiden geht es bei ihrem ehrenamtlichen Engagement darum, Verschwendung zu vermeiden und im Idealfall Fast Fashion, die laut Greenpeace jährlich mitverantwortlich für weltweit über fünf Milliarden Tonnen Textilmüll ist, zu verdrängen. Steffi Liebich sieht noch einen weiteren Beweggrund: „Mittlerweile bin ich auch einfach zu schrappig - Mode ist mittlerweile ja auch eine Kostensache, gerade, wenn sie fair gehandelt ist.“
Bewusst weniger Teil einer Wegwerfgesellschaft zu sein - das leben die beiden auch in ihrem Alltag vor. Neben ihrem Engagement für den Kleidertausch ist Steffi Liebich in ihrem Stadtteil Ruhrort auch als Lebensmittelretterin unterwegs. Den Kleidertausch sehen sie als bessere Alternative zum Trödelmarkt: „Bei uns kostet Second-Hand ja nichts. Und es hat einfach etwas ganz anderes, wenn man jemandem etwas schenkt.“ Wichtig ist ihnen auch die soziale Komponente: „Menschen, die bedürftig sind, haben oft mehr Scham. Bei uns weiß aber keiner, wer was abgegeben hat. Hier kommen Leute zusammen, die sich sonst im Alltag nicht zwingend begegnen würden und bauen so Vorurteile ab.“
Second Hand: Wenn Kleidungsstücke Geschichten erzählen...
Zu den Kleidertausch-Besuchenden zählen nach Erfahrungen des Duos viele junge Leute, „die es zu schätzen wissen, Kleidung von Qualität mitnehmen zu können“, sagt Yvonne Liesfeld. Ältere Menschen hätten oft noch Vorbehalte gegen Second Hand. Dennoch kämen in der Regel Interessierte aller Altersgruppen zum Kleidertausch.
Beide Frauen verknüpfen schöne Erlebnisse mit den Kleidertausch-Events. Immer wieder treffe man Menschen, die spannende oder berührende Geschichten über ihre Kleidungsstücke erzählten. „Kleidung kann etwas sehr emotionales sein“, weiß Yvonne Liesfeld. „Die Suche nach einem Kleidungsstück ist individuell und wenn man das EINE Stück gefunden hat - da kommen Glücksgefühle hoch“, sagt Steffi Liebich. Es sei auch immer schön zu sehen, wie jemand, der es sich sonst vielleicht nicht leisten könne, mit gut erhaltener Markenkleidung wieder nach Hause gehe.
Mittlerweile hat der Kleidertausch Niederrhein sogar seine Stammkunden, vier Termine (einer ist bereits gelaufen) werden in diesem Jahr angeboten. Kleidertausch-Events gibt es natürlich auch in vielen anderen Städten. Auf der Internetseite kleidertausch.de finden Interessierte für ganz Deutschland aktuelle Termine.
Dass Kleidertausch Niederrhein, der auf Initiative des Vereins Kulturprojekte Niederrhein e.V. den Weg nach Kamp-Lintfort gefunden hat, mehr Termine an weiteren Orten anbietet, ist -Stand jetzt- eher unwahrscheinlich. Denn das, so die beiden Organisatorinnen, könnten sie ehrenamtlich nebenbei kaum mehr stemmen. Aber: „Wir geben gerne unser Know-How weiter, damit sich die Idee weiter ausbreitet“, so Yvonne Liesfeld.
Das sind die Benimmregeln Damit das Event für alle ein schönes Erlebnis wird, haben Steffi Liebich und Yvonne Liesfeld ein paar „Benimmregeln“ aufgestellt: An der Auspackstation werden mitgebrachte Kleidungsstücke ausgepackt und, wenn möglich, auf Bügel gehängt. Ausgespäht werden soll hier noch nicht - gestöbert werden soltel erst, wenn die Tauschware auf Ständern und Tischen sortiert ist. Wenn etwas anprobiert wird und nicht gefällt, sollte es wieder ordentlich zurückgelegt werden.
Wichtig: Ausgeleierte, fusselige oder gar löchrige Kleidung oder Unterwäsche und Socken gehören nicht auf einen Kleidertausch. Was am Ende übrig bleibt, wird für den nächsten Kleidertausch bewahrt oder für gemeinnützige Zwecke gespendet.